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“Die Auswirkungen des Brexit auf die IT-Branche und die europäische Wirtschaft”

Was der Brexit für die IT-Branche bedeutet


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Der Brexit ist Realität: Beim gestrigen Referendum stimmten 51.9 Prozent  der Briten für den Austritt aus der EU, 48.1 Prozent  votierten für den Verbleib. Ein in erster Linie für das Vereinte Königreich fragwürdiger „Verdienst“ von Premierminister David Cameron, der die Europäische Union lange Zeit als inner-britischen Image-Spielball genutzt, sich nun aber deutlich verzockt hat.

„Das wird schon nicht eintreffen, die Argumente der EU-Befürworter sind stärker“, so konnte man in den letzten Tagen und Wochen häufig lesen. Jetzt ist der Worst-Case eingetreten. Was sind die langfristigen wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Auswirkungen? Stand heute ist diese Frage bei weitem noch nicht eindeutig zu beantworten. Auch die IT-Branche steht nun vor einer ungewissen Situation, die Innovation, Investition und Zusammenarbeit gleichermaßen betrifft.

Dass das Brexit-Referendum Konsequenzen haben wird, sollte – angesichts der Rolle Großbritanniens in der internationalen Digitalwirtschaft – jedem klar sein. Der Branchenverband Bitkom geht von nicht unerheblichen Umsatzeinbußen für deutsche Unternehmen aus: Mit 2,9 Milliarden Euro aus nach UK exportierten IT-Produkten (entspricht 8 Prozent des gesamten deutschen IT-Exports) und 1,2 Milliarden aus nach Deutschland importierten IT-Erzeugnissen war das Vereinte Königreich zuletzt der wichtigste Handelspartner der Branche. Nun fallen diese Einnahmen und Ausgaben durch den Austritt der Briten aus der EU zum Glück nicht automatisch weg – in der Schwebe sind sie aber dennoch, da sämtliche vertragliche Regelungen überarbeitet oder völlig neu gestaltet werden müssen. Ein generelles Risiko, dass sich die Handelsbeziehungen dadurch verschlechtern, besteht also durchaus.

Bei der Einschätzung der Folgen des Brexits sollte aber nicht nur der Austausch von (IT)-Produkten und Dienstleistungen betrachtet werden, sondern auch andere Aspekte wie zum Beispiel das Thema Datenschutz. Deutsche Unternehmen, die in irgendeiner Form Daten nach Großbritannien übertragen, stehen plötzlich vor einem Problem, da die – spätestens seit den zähen Safe-Harbor-Verhandlungen mit den USA bekannte – europäische Datenschutzrichtlinie 95/46/EG bei einem „Nicht-EU-Großbritannien“ keine direkte Anwendung findet. Heißt: Die Briten könnten theoretisch ein eigenes Datenschutzrecht etablieren, oder alternativ (potentiell langwierige) Verhandlungen zur Orientierung am EU-Datenschutz starten. Das dürfte mit Sicherheit nicht unbedingt positive Auswirkungen für deutsche Unternehmen nach sich ziehen.

Wie sehen also die Folgen des Brexits auf die EU (und damit auch auf die IT-Branche) aus? Das ist heute, am berühmten „Tag danach“, noch unmöglich konkret einschätzbar. Zudem gibt es keinen historischen Fall, der als Vergleich zurate gezogen werden könnte. So oder so ist es kein gutes Zeichen für ein digital gewachsenes und vernetztes Europa. Zahlreiche EU-Befürworter und innerhalb der EU ansässige (IT-) Unternehmen befürchten eine zunehmende Negativ-Tendenz hin zum Gedanken einer europäischen Gemeinschaft und mögliche Signalwirkungen, die das Referendum auf andere EU-Länder haben könnte. Ein reihenweiser Mitgliederaustritt ist meiner Meinung nach jedoch nicht zu befürchten – spätestens wenn die mit großer Sicherheit sehr zähflüssigen Verhandlungen sowie die aus dem Austritt resultierenden wirtschaftlichen, vertragsrechlichten und gesellschaftlichen Folgen auf Großbritannien „hereinprasseln“, wird sich der öffentliche Wind hoffentlich wieder zugunsten der Europäischen Union drehen. Hier gilt es freilich dann auch, die richtigen Schlüsse zu ziehen.